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  • AutorenbildAimo Nyland

Erfahrungsbericht Gut Saunstorf (Modernes Kloster)


Hallo ihr Lieben!

Heute melde ich mich mal mit einem Erfahrungsbericht. Wie ihr euch vorstellen könnt, haben ADHSler es nicht leicht. Stress, Sorgen, Zweifel und Chaos ist eigentlich immer ein Thema. Um dem herausfordernden Alltag etwas zu entfliehen und auch aus dem Grund, dass ich als Sonderling irgendwie natĂŒrlich auch »das Besondere« brauche und mit 0815 nix anfangen kann, habe ich mich auf eine Schweigewoche in einem Kloster eingelassen. Ich bin nun zurĂŒck und freue mich, euch nun einmal von meinen Erfahrungen dort zu berichten. Um es direkt mal vorweg zu nehmen: es war ne sehr skurrile, grenzwertige, aber auch heilsame Erfahrung! Möchte sie nicht missen.


Zum Kloster:

Mit mittelalterlichen GemĂ€uern, Mönchen in braunen Kutten, Gebets- und Verhaltensritualen hat das Ganze absolut gar nix zu tun. Eigentlich isses nur ein ehemaliges Gutshaus, dass von einer Gemeinschaft rund um einen spirituellen Philosophen, Weisheitslehrer und Initiator sehr stilvoll als modernes Kloster wieder hergerichtet wurde. Es gibt einige Stimmen, die sagen, dass es sektenĂ€hnliche ZĂŒge haben soll. Speziell, weil sich eben alles um diesen OM C. Parkin dreht und man auch schnell den Eindruck bekommt, dass er sich selbst als etwas Großes, fĂŒr spirituell Suchende Unverzichtbares, sozusagen als »der allwissende Meister« hinstellt. Es gibt eigentlich keine Ecke des Klosters, wo man nicht seinem Namen begegnet. Da muss jetzt jeder selbst entscheiden, ob man das negativ beurteilen möchte oder nicht. Wenn ich bei Dieter Bohlen im Studio bin, sehe ich auch vollplakatierte WĂ€nde mit goldenen Schallplatten, die seinen Namen tragen. Ich habe jetzt den Vorteil, dass ich dort im Kloster gewesen bin und mich nicht im Vorfeld von Kritiken hab beeinflussen lassen.

Und ich muss sagen. Mich hat das nicht gestört. Ich mein' jede spirituelle Szene hat doch irgendwo ihren »egoaufgeblasenen Guru«, oder? Man kann sich auf so eine »AnhĂ€ngerschaft« einlassen und zig weitere teure Kurse bei diesem Herrn buchen, bis man irgendwann zu einem »auserwĂ€hlten Kreise« gehört und dann im besten Falle »erleuchtet ist«. Oder man betrachtet und genießt den Ort und das stille Prozedere dort mit Abstand und gesundem Menschenverstand, ohne sich in irgendeiner Weise zu einem »SchĂŒler von irgendeinem kuriosen Lehrer« zu machen. Und das funktioniert wunderbar. Und man wird auch in keinster Weise bequatscht oder in die Enge getrieben oder sonstwas. Ich war unter völlig normalen GĂ€sten (von 25 jĂ€hriger Studentin bis hin zum Ende 50 jĂ€hrigen GeschĂ€ftsmann), die wohl alle auf irgendeine Art ne Auszeit brauchten. Und dafĂŒr ist dieser Ort einfach super!


Die Zimmer sind modern gestaltet und sauber. Einen Fernseher oder Radio gibt's natĂŒrlich nicht. Und das ist auch absolut richtig so, wenn man runterkommen will. Ich hatte ein nur von mir belegtes Doppelzimmer mit eigenem Bad. Sehr schlicht, hĂŒbsch aber funktional eingerichtet - mit direktem Zugang ĂŒber ein großes Studierzimmer, gefĂŒllt mit supergemĂŒtlichen Sitzgelegenheiten, BĂŒchern, Lehrbriefen und zwei SekretĂ€ren zum Schreiben. Das war fast immer leer. Man hatte also seine Ruhe. Wie ja sowieso im Schweigen. Auch das gesamte GelĂ€nde ist echt riesig. Da sind tausende von Quadratmetern GrĂŒnflĂ€che hinterm Kloster, wo man sich auf Liegen sonnen oder entspannen kann, oder man kann einfach in der tollen Anlage spazieren gehen. Es gibt einen eigenen BiokrĂ€utergĂ€rten, es gibt einen kleinen Gartenteich als Badestelle, immer wieder tolle abgelegene Sitzgelegenheiten, etwas versteckt auf BĂ€nken am Teich oder auf einer an einem großen Baum hĂ€ngenden Schaukel (mein Lieblingsplatz ĂŒbrigens). Da konnte ich wohl zum ersten Mal gefĂŒhlt in den letzten 20 Jahren tagsĂŒber so richtig schön abschalten ...

Zudem gibt es, fĂŒr die ganz Mutigen, auch komplette DunkelrĂ€ume als Wohnraum und auch eine eigene kleine Kapelle, die echt einen tollen Spirit hat!


Das gesamte Kloster war absolut sauber und gepflegt - sowohl im Innen als auch im Außenbereich. Ich fĂŒhlte mich sehr gut aufgehoben und war von der Energie, die von Stille und innerer Einkehr ausgeht, echt beeindruckt. Und dafĂŒr muss man sich gar nicht auf irgendwelches spirituelles »Gequatsche« einlassen, um das zu erleben. Einfach die Stille und der Geist dieses Ortes macht es aus. Ich bin jetzt auch ganz und gar nicht der spirituelle Typ ehrlich gesagt. Ich werde sicher auch keiner mehr. Aber das muss man auch nicht. Viele von uns ADHSlern konnten Zeit ihres Lebens nicht ein einziges Mal richtig runterfahren, weil auch wenn wir selbst nicht sprechen, unser Hirn eben immer spricht, auf ne gewisse Art und Weise. Und zwar sehr laut! Und ich hĂ€tte nicht gedacht, dass nur eine ganz bestimmte Örtlichkeit schon, diesen Fakt verĂ€ndern kann. Und ob man sich Schweigen und Stille vorstellen kann oder nicht - alle, die dafĂŒr gekommen sind, tun es eben. Man hat also gar keine andere Wahl und fĂŒgt sich also ganz automatisch der Gruppendynamik. Ist ja im Übrigen sowieso ein bekanntes psychologisches PhĂ€nomen: wenn alle etwas tun, macht man dasselbe automatisch und traut sich einfach nicht, aus den Mustern auszubrechen. Das kommt dem ganzen Sinn dieses Aufenthaltes natĂŒrlich mega entgegen.


Letztendlich kommt man aber ja auch genau deswegen dorthin. Also ist einem schon klar, worauf man sich einlÀsst.

Das Kloster bietet zudem unsagbar viele WohlfĂŒhlprogramme an. Darunter Fitnessraum, Sauna, Floating-Bad, verschiedenste ayurvedische Massagen, Heilpraktiker, GesprĂ€che mit Psychotherapeuten, Akupunktur, Chinesische Medizin, Konsultationen bei einer Ärztin u.v.m. Bis auf Sauna, Fitness und eine wirklich sehr große und ansprechende Bibliothek sowie zwei Studierzimmer mit ebenfalls massig Lesematerial, sind das allerdings Extraleistungen und nicht ganz billig - genauso wie der Klosteraufenthalt selbst.


Zum Schweigen: Also ich muss schon ehrlich sagen, dass es anfangs einfach extrem ist, einen solch krassen Cut in seiner alltĂ€glichen Routine zu erfahren. Denn ĂŒbers Sprechen denken wir ja meist nicht nach. Wir definieren uns ĂŒber Sprache und wir werden in der Welt da draußen erdrĂŒckt von Reizen; alle Sinne betreffend. Input Input Input - immer und ĂŒberall. Und wir sind quasi genötigt, stĂ€ndig auf diese Reize zu reagieren. Ob nun verbal, psychisch oder physisch. In 99% der FĂ€lle reagieren wir. Und bestimmt in 49% der FĂ€lle entweder unangemessen oder vielleicht auch gĂ€nzlich nutzlos. Und jetzt stellt euch vor, dieser ganze Input, der ja hĂ€ufig auf Kommunikation beruht, fĂ€llt komplett weg Das ist, wie ich oben schon erwĂ€hnte, ziemlich skurril und sehr grenzwertig! In den ersten 24 Stunden fĂŒhlte ich mich exorbitant bescheuert - als sei ich echt in einem falschen Film.

Ich traf bei der Ankunft schon andere sympathische GĂ€ste, noch außerhalb des offiziellen Schweigens. Und dann gab's zufĂ€llig mit »ADHS« - OH NEIN! - auch noch dasselbe Thema, wie es sich herausstellte ... Aaaargh.

Dann zu wissen, dass es nur noch eine Stunde dauern wĂŒrde, bis es galt, sich 5 fucking Tage lang anzuschweigen, war natĂŒrlich die Hölle fĂŒr mich. Denn ADHSler unter sich mussten sich ja zwingend viel zu sagen haben, das war ganz normal - vielleicht sogar »unausgesprochenes Gesetz« Hehe.

Nun, das Schweigen begann dann schneller als mir lieb war, und ich war natĂŒrlich aus Gewohnheit so in meinen automatisierten Mustern, dass mir selbst das UnterdrĂŒcken kleiner unbedeutender Floskeln wie einem kurzen »Hi« im Vorbeigehen, schon arg schwerfiel. Ich musste anfangs regelrecht gegen all meine Automatismen kĂ€mpfen, um der selbstauferlegten Pflicht, komplett die Fresse zu halten, nachzukommen. Und das war schon hart genug und triggerte direkt schon mal impulsiv den »Kortex fĂŒr Entscheidungen« - in negativem Sinne. Ja genau, ich wollte direkt hinschmeißen! *LOL*

Denn zu diesem Zeitpunkt schien es mir tatsĂ€chlich unmöglich, ausnahmslos 5 Tage lang in der absoluten Stille zu verharren. Eine Herausforderung par excellence. Ich war aber nicht zum Hinschmeißen gekommen, denn Hinschmeißen war ja bereits einer meiner stetigen Lebensbegleiter. Das Außergewöhnliche durchziehen - auch wenn es hart ist - das war mein Ziel! Ich befeuerte mich selbst also ne Weile mit Motivationssalven und blieb. Die ersten 24 Stunden hatte ich wirklich enorm Probleme, mich der absoluten Stille anzupassen. Denn mein Innen und das Außen passten auf einmal in keiner Weise mehr zusammen. Das war verdammt schrĂ€g und stresste mich. Und natĂŒrlich fĂŒhlte es sich genau deswegen auch erst völlig kontraproduktiv an, denn ich war ja gerade gekommen, um Stress ab- und nicht aufzubauen.


Aber dann auf einmal, und das ist das Kuriose, wendete sich das Blatt. Schweigen wurde irgendwie »normal« und ich fing tatsĂ€chlich an, irgendwie zu genießen, dass der Zwang, sich in einen oft ungeplanten und doofen Smalltalk verwickeln zu lassen, konstant wegfiel - jeden Tag. Ganz einfach, weil es all die potenziellen Auslöser dafĂŒr von jetzt auf gleich nicht mehr gab. Es gab mich, die tolle spirituelle AtmosphĂ€re und die Stille. Mehr gab es nicht. Ich realisierte auf einmal, dass es eben nicht zwingend fĂŒr jeden Pups immer Wörter oder SĂ€tze braucht. Sondern, dass oftmals auch schlicht eine Geste oder Mimik völlig ausreicht, um letztlich dasselbe zu sagen, wie unter normalen Bedingungen nicht selten in einem 5-minĂŒtigen Monolog. Und so skurril das Ganze sich anfĂ€nglich noch anfĂŒhlte, um so wohltuender wurde es Tag fĂŒr Tag immer mehr und mehr.


Ich kam zum großen Ergebnis, Erlebnis, aber auch zur großen Erkenntnis, dass das Leben auch in schweigsamer Gesinnung weitergeht - nur mit ganz anderen Werten, anderen Sinnen und einer ganz anderen Wahrnehmung, die wesentlich effizienter und mehr aufs Detail gerichtet funktioniert. Das ist zweifellos eine ganz ganz tolle Geschichte, wenn man sich gute 24 - 48 Stunden Zeit nimmt, sich drauf einzulassen. Die wichtigste Verbindung zwischen Mensch und Mensch fehlt; die Kommunikation. Aber trotzdem fĂŒhlte ich im Herzen dieses krasse GemeinschaftsgefĂŒhl unter all meinen Mitschweigenden. Nicht zuletzt auch durch die Regeln und Routinen des Hauses, durch die man regelmĂ€ĂŸig auch immer wieder »seine Gruppe« traf. Zum Beispiel eben zu den offiziellen Meditationen, zum einen vor dem FrĂŒhstĂŒck und zum anderen vor dem Abendessen. Ich kannte die Menschen nicht im Ansatz. Und trotzdem erreichten mich GefĂŒhle von »Familie« oder auch »Heimat« in den gemeinsamen Meditationen. Einfach das GefĂŒhl, als wĂ€re man verbunden - gemeinsam stark! Ich fand das richtig cool und ĂŒberlege ernsthaft, es wieder zu tun. Vielleicht sogar 1x pro Jahr. Ich denke, es gibt kaum einen besseren Ort, um gedanklich abzuschalten, seinen Stress loszuwerden und sich selbst mal auf eine »andere Ebene« zu hebeln. Eine hochgeistige und selbstreflektierende Ebene, die fast alle störenden Alltagsreize fĂŒr kurze Zeit verbannt! Sehr fundamentale Erfahrung - wirklich 😍


Fazit: In gut 40 Jahren war ich glaub ich noch nie nĂ€her bei mir selbst als in diesen 5 Tagen Und auch hat mir dieser Ort mehr Bewusstsein fĂŒr mich selbst gegeben als alle Psychotherapien der letzten 20 Jahre das je konnten. Das einzige Manko war halt der ziemlich hohe Preis. Ich habe knapp siebenhundert Euro fĂŒr 5 Tage ausgegeben. Das ist natĂŒrlich im Vergleich locker eine Woche am Mittelmeer. DafĂŒr, dass man die Fresse hĂ€lt und quasi nur im Garten »lustwandelt«, seine inneren Themen hochkommen lĂ€sst, die eben auch mal zu Heulattacken fĂŒhren können, sich aber durchaus auch mal langweilt, ist das logischerweise echt viel Knete! Und ich hatte nur Halbpension und KEINE WohlfĂŒhlanwendungen. HĂ€tte ich es mir, sagen wir mal »richtig gut gehen lassen«, dann wĂ€ren bestimmt ĂŒber tausend Euro weg gewesen fĂŒr 5 Tage. Muss jeder fĂŒr sich selbst entscheiden, was einem wichtiger ist: Strand und Meer oder einfach mal die Arbeit an und mit sich selbst, was eindeutig sehr positive Nachwirkungen hat.

Ich sage, der Preis war trotzdem gerechtfertigt. Die KlosterkĂŒche ist spitze, auch wenn es NUR vegetarische Kost gibt. Es ist aber alles höchst Bio und kommt aus dem eigenen Garten sowie eigener Herstellung. Also ich als kein Vegetarier habe nix vermisst, auch wenn ich mir vorher echt nie hĂ€tte vorstellen können, mal eine Woche lang nur vegetarisch zu essen.

Also, wer mal ne Auszeit braucht und wem vielleicht einfach auch nicht nur das Gequatsche Anderer, sondern vielmehr auch sein eigenes mÀchtig auf den Zeiger geht, der findet im Kloster Saunstorf (https://www.kloster-saunstorf.de/) den richtigen Ort!


Ich werde jedenfalls definitiv ab sofort versuchen, jeden Tag so gut es geht, 15 bis 30 Minuten Stille, in Form von Meditation, in meinen Alltag einzubauen. Nichts was ich bisher kenne, ist in solch einer Einfachheit wirkungsvoller. Von mir also eine klare Empfehlung! 👍


Viel Spaß also fĂŒr jene von euch, die ebenfalls gedenken, es auszuprobieren!

Hier findet ihr noch einen kleinen Videoeinblick in das Kloster: https://youtu.be/gfG92WuXFfM


Liebe GrĂŒĂŸe ...

Euer Aimo ☘


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