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  • AutorenbildAimo Nyland

Einfach mal »laut« gedacht




Hey ihr Lieben. Ich setze mich ja seit meiner eigenen Diagnose mit Herzblut für mehr Aufklärung ein. Überwiegend durch Moderation einer knapp 7000 Personen starken ADHS Community bei FB (wer will kann gern beitreten: www.facebook.com/groups/adhsbeierwachsenen), aber auch durch Blogbeiträge und eigene autobiografische Bücher. Denn durch viele Feedbacks aus der Community weiß ich, dass ich mit meinen Worten, Erlebnissen und Empfindungen für eine Vielzahl von Betroffenen spreche, da man sich in meinen Schilderungen eben häufig wiedererkennt.

Dieses Privileg, für nicht Wenige von »uns« sprechen zu können, möchte ich nun in einer nächsten Stufe auch mal etwas energischer nutzen. Ich möchte durch gezielte öffentlichkeitswirksame Methoden aufzeigen, was da draußen mit der lieb gemeinten »Inklusion« alles schief läuft, wie groß das Leid, die Hindernisse und die Stagnationen für uns Betroffene, aber auch die Leugnung oder die ablehnenden Haltungen gegenüber unseres Handicaps zum Teil wirklich sind. Hierzu thematisiere ich die 4 eigentlich wichtigsten inklusionsrelevanten Bereiche, in denen wir Betroffenen trotz mittlerweile recht gutem medizinischen Wissen über ADHS, leider immer noch viel zu viel Zurückweisung und Schikane erleben.


Und zwar möchte ich dies tun in einem:


Offenen Brief …


… an all die Entscheider und Verantwortlichen von Politik, der Medizin, von Behörden und Institutionen. An all jene also, die es einem nicht unerheblichen Teil unserer Gesellschaft, nämlich neurodivergenten oder auch allgemein psychisch erkrankten Menschen, durch Vorurteile und Verharmlosung verdammt schwer macht, ein integriertes, toleriertes und depressionsfreies Leben zu führen. Im Grunde aber auch schlicht an alle Interessierten, die sich gerne näher mit den Herausforderungen und Schwierigkeiten von Menschen im neurodivergenten Spektrum beschäftigen möchten.


Grundsätzliches Ziel:

Sensibilisierung für ein oft undurchschaubares und missgedeutetes Handicap (ADHS & Autismus).


Ich möchte in diesem Brief mit durchaus mahnendem Charakter thematisieren, dass gute und nützliche Hilfsangebote (neben den auch für viele andere eingeschränkte Menschen fehlenden), aber speziell eben für ADHSler bzw. die Gewährung jener, in Deutschland einen wahrhaftigen Mangel darstellen. Und das, obwohl viele etwas schwerer Betroffene teils ein furchtbar ziel- sowie strukturloses, anstrengendes und psychisch zermürbendes Leben führen (müssen), während die äußere Wahrnehmung oft entweder bewusst oder durch den insgeheimen Wunsch einer gleichberechtigten Teilhabe auch unbewusst - mittels perfekter Maskerade also einem Neurotypischen gleicht. Oftmals sind sogar unzählige weitere Störungen als Komorbidität dabei, wie z.B. Persönlichkeitsstörungen, Angst-/Panikstörungen oder Depression (meist leider die als tückisch geltende hochfunktionale).

Dies führt unter anderem auch zu der Tatsache, dass ADHSler eine um durchschnittlich 13 Jahre verkürzte Lebenserwartung haben.

Hochfunktionale Depression = Unter strapaziösem Überspielen aller klassischen Depressionssymptome trotzdem funktionieren (weil das Leben einem schlicht keine Wahl lässt) und dabei stets mehr und mehr in die psychische Abwärtsspirale geraten.


Dass die öffentliche Wahrnehmung von ADHS als ernstzunehmende und vor allem manchmal auch massiv lebenseinschränkende »Erkrankung« (zumindest laut WHO) bei Erwachsenen immer noch sehr zu wünschen übrig lässt, ist leider ein unbestreitbarer Fakt. Immer noch viel zu wenig Ärzte hören genau zu, spielen die leidvollen Erzählungen von Patienten gar herunter. Von Institutionen oder Behörden wird man, trotz Mut zur Ehrlichkeit und Offenheit eher lächerlich gemacht, mal ganz zu schweigen vom sowieso gesellschaftlich miesen Status einer ADHS im Erwachsenenalter.


Ich als Betroffener, zusammen mit einer großen ebenfalls betroffenen Community die ich administrativ mit betreue, möchte mich entschieden dafür einsetzen, dass unser Handicap auch im Rahmen von institutioneller Wahrnehmung wesentlich mehr Gewicht erhält.

Speziell an vier thematischen Säulen gibt es dringende Notwendigkeiten zur Verbesserung. Im Folgenden führe ich diese einmal auf:


1. Pflegegrad

Grundsätzlich ist es möglich, auf ADHS einen Pflegegrad zu bekommen. Es bekommen ihn aber fast nur Kinder.

Natürlich sollten erwachsene Betroffene ebenfalls das Recht auf einen Pflegegrad bekommen, wenn die Störung den Alltag, die Selbständigkeit und das generelle Vorankommen im Leben exorbitant einschränkt und man größtenteils nur mit motivationaler Aussensteuerung seiner Pflicht, Verantwortung und Selbstfürsorge nachkommen kann. Und dies tut es bei stärker Betroffenen, die ferner meist auch noch einen Rucksack aus quälenden Komorbiditäten zu tragen haben, gar nicht so selten, wie ich es auch aus Umfragen in der Betroffenen-Community weiß.


Ein Pflegegrad ist aber nur in den allerwenigsten Fällen möglich, da die meist jahrzehntelang beschäftigten Gutachter weiterhin ihre strikten und altmodischen Beurteilungsroutinen fahren, und sich scheinbar nicht um wichtige gesetzliche Änderungen, wie zum Beispiel dem Pflegestärkungsgesetz (PSG I bis PSG III von 2015 bis 2017) scheren.

Laut jenem wäre es nämlich seit rund 8 Jahren schon bei der Beurteilung verpflichtend, neben den üblich körperlichen, auch die psychischen/neurobiologischen Beeinträchtigungen wesentlich mehr in die Bewertung mit einfließen zu lassen, die bei ADHSlern logischerweise deutlich präsenter sind, als die körperlichen.

Daran hält sich aber so gut wie keiner der Gutachter. Und so werden immer noch die meisten aller Beantragungen eines Pflegegrads von erwachsenen ADHSlern abgelehnt bzw. die Bewertung reicht nicht mal für PG 1. Damit sind viele Betroffene dazu verdammt, ohne Unterstützung »würdelos« weiterzuleiden, um sich ohne Rücksicht auf mögliche gesundheitliche Gefahren, dem »Du-Musst-System« da draußen zu fügen.


2. Anerkennung einer Behinderung


Nächstes Beispiel wäre der Grad der Behinderung. Dass für gar nicht so wenig Betroffene ADHS ganz offensichtlich eine wahre Behinderung darstellt, steht vollkommen außer Frage. Schließlich leben sie mit einer Störung der Neurotransmitterregulation, die schlimme exekutive Dysfunktionen, also ohne Zweifel Behinderungen im Alltag, zur Folge hat, und das Leben schwer beeinträchtigen, wenn nicht manchmal sogar im partnerschaftlichen Kontext so ziemlich unmöglich machen kann.

Und auch in diesem Beantragungs- bzw. Bewertungsverfahren sind die Hürden für ADHSler unüberwindbar hoch und die allgemeine Diskriminierung, Diffamierung sowie die Abwertung unserer täglichen Herausforderungen seitens der Behörden in Deutschland ist ein wirklich massives Problem.


Man sieht dies eigentlich sofort schon in der offiziellen versorgungsmedizinischen Verordnung - der sogenannten VersMedV, die als Bewertungsgrundlage zur Vergabe des Grades der Behinderung dient und im Internet öffentlich einsehbar ist.

Dort wird unter Punkt 3.5.2 per se nämlich schon mal ausgeschlossen, dass ein GdB von mehr als 50 für ADHSler über 25 Jahren möglich wäre. Dies hängt sicher mit der Tatsache zusammen, dass die Diagnostik von adultem ADHS vor noch gar nicht allzu langer Zeit erst ihren Anfang hatte. Bis zum Jahrtausendwechsel ging man davon aus, dass sich diese Störung nämlich »verwachse«.

Das Fortführen solch veralteter Überzeugungen in stadtamtlichen Richtlinien ist aber nicht nur Diskriminierung, sondern auch freche Anmaßung und eigenständige Beurteilung des Schweregrads der Störung, ohne auf die persönlichen Bedingungen, Bedürfnisse, Besonderheiten, die individuellen Herausforderungen und auf das soziale Umfeld der Betroffenen zu schauen. Es wird also einfach schlicht ein gesundheitlicher Zustand ge-wertet und im Grunde im selben Zuge ent-wertet. Ganz einfach, weil man ohne wirkliche Handhabe und ohne Kompetenz einer diffus zu verstehenden Störung völlig naiv be-wertet!


Das ist natürlich ein NO-GO und viele erwachsene ADHSler fühlen sich durch derartige Statements nicht wahr- und vor allem nicht ernstgenommen. Und jene Gefühle spiegeln sich im Übrigen auch bei der Vergabe des GdBs ( Grades der Behinderung) wider. Denn, ebenso aus Umfragen in einer starken ADHS-Community weiß ich, dass nicht wenige GdB-Beantragende mit dem ersten Bescheid fassungslos zurückbleiben, da die ADHS, die so erhebliche Alltagsbeeinträchtigungen, aber auch persönliche Beeinträchtigungen mit sich bringt, in vielen Teilen Deutschlands nur mit einem GdB von 10 oder allenfalls 20 bewertet wird. Völlig unzureichend, wenn man mal ein Diabetes Typ 2 gegenüberstellt, welches laut VersMedV mit einem GdB 50 bewertet werden kann. Und das, obwohl gut eingestellte Diabetiker eigentlich ein relativ problemloses Leben führen können.

ADHSler kämpfen jeden Tag sowohl mit sich selbst, als auch mit ihrem Umfeld, erleben nicht selten permanent Chaos, Verzweiflung, Wahnsinn, zermürbende Lethargie, kennen bzw. ertragen ewig lange Strecken des beruflichen sowie privaten Versagens und oft auch fehlender Inklusion - sogar über Jahrzehnte oder dauerhaft! Und das alles verstecken sie nicht selten gekonnt hinter einer charismatisch-funktional wirkenden Fassade, sodass es im Außen nicht mal jemand wirklich bemerkt!

Der Grund: Bis zum Perfektionismus getriebenes automatisiertes Masking (bedingt durch den unbändigen Wunsch eben, ein Teil der Gesellschaft sein zu wollen...), was ja einen völlig legitimen Wunsch darstellt.


Wenn man diese beiden Erkrankungen mal in gegenseitigen Bezug bringt, dann ist es wohl ziemlich sicher eine Farce, dass ein Diabetiker am Ende einen GdB 50 und damit einen Schwerbehindertenausweis erhält. Der ADHSler, der im Endeffekt aber mindestens genauso, wenn nicht mehr beeinträchtigt ist, kommt in vielen Fällen noch nicht mal an die Marke eines GdB 30 heran. Und er hat somit auch keinen Anspruch auf eine mögliche Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten, sollte dies aus vielleicht beruflichen Komplikationen mal nötig werden. Das ist natürlich alles andere als eine faire Bewertung und sollte daher in unserem Gesundheitssystem dringend überarbeitet werden, damit sich ADHSler mit ihren Problemen endlich mal wahrgenommen und verstanden fühlen. Und, damit ihnen durch eine nachweisbare Einschränkung unter Umständen sogar auch mehr Chancen zuteil werden können und nicht nur Rückzug, Frust, Kummer und Kapitulation!


3. Eingliederungshilfe bzw. auch andere ambulant-psychiatrische Hilfen


Eine dritte mögliche Unterstützung für ADHSler (wenn die wirklichen Problemfelder denn auch mal berücksichtigt würden), wäre natürlich unter Umständen die Eingliederungshilfe. Im Speziellen die Leistungsform des Persönlichen Budgets (der Selbstbestimmung wegen).

Grundsätzlich haben ADHS Betroffene, die sich in ihrer Teilhabe und persönlichen Entfaltung dauerhaft »behindert« fühlen, nach §1 und §2 des SGB IX, IMMER Anspruch auf Eingliederungshilfe. Und wenn sie einen GdB (Grad der Behinderung) von mindestens 50 besitzen sollten, sind die Anspruchsvoraussetzungen sowieso erfüllt. Um den Anspruch zu erfüllen, ist aber kein GdB notwendig. Der Fakt, in irgendeiner Form »behindert« oder von einer Behinderung bedroht zu sein, reicht vollkommen aus.


Viele neurodivergente oder auch anderweitig gehandicapte Menschen fühlen sich stets ausgegrenzt, manchmal respektlos behandelt, provoziert, schikaniert und mit haltlosen Schuldzuweisungen sowie Vorurteilen besetzt. Sie können oftmals nicht mit dem gesellschaftlichen Strom, mit dem Tempo und dem Leistungsanspruch des »neurotypischen« Lebens mitschwimmen. Eine gute und hilfreiche Unterstützung wäre da für viele sicher das Persönliche Budget, um sich eben mit Assistenzleistungen oder auch im Rahmen des »Ambulant-betreuten-Wohnens« für die gefühlt unleistbaren Hürden des Alltags Erleichterung zu verschaffen.

Das klingt theoretisch natürlich erstmal gut. In der Praxis - also im Rahmen der echten Beantragung, sieht es allerdings ganz anders aus. Auf einmal ist Verharmlosung, Diffamierung, Inkompetenz, Indisziplin bei der Bearbeitung, Gesetzesmissachtung und fast schon »Psychoterror« an der Tagesordnung! Und das, obwohl unser Bundesteilhabegesetz mit seiner deutlich positiven, aufmerksamen und zur Unterstützung bereitwilligen Haltung eigentlich jedem gehandicapten Menschen schmeichelt.

Theorie und Praxis passen also nicht ansatzweise zusammen. Und auch ich, sowie mehrere Bekannte von mir, erleben das generell gesehen genau so seit zwei Jahrzehnten. Und bezüglich der Eingliederungshilfe bei mir sogar aktuell, da man mich seit einem Jahr durch Untätigkeit, Unwissenheit und fadenscheinige Begründungen hinhält und mir einfach nicht zuhören will bzw. mein Leid schonungslos herunterspielt und die Bewilligung von für mich wichtigen Leistungen grundlos in die Länge zieht.

Ich sehe in der Tatsache, dass viele Betroffene so arg im Stich gelassen werden, ein wirklich riesiges Problem! Und es ist überhaupt nicht realistisch einzuschätzen, zu wieviel Konflikten und Existenznöten bis hin zu möglichen Suiziden solch ein Vorgehen bei Betroffenen führt.


Was regelmäßig auch deutlich wird, ist, dass neben der üblichen Eingliederungshilfe auch im Bereich des Bürgergeldes oder der Sozialhilfe zum Beispiel viel zu wenig Wert gelegt wird auf relevante Mehrbedarfe. Diese beruhen nämlich auf permanenten Verlusten oder auch dem Vergessen von Dingen sowie schlicht der Unaufmerksamkeit oder den Auswirkungen von Prokrastination oder gar gänzlichem Verdrängen von Wichtigkeiten. So gehen uns ADHSlern aus Tollpatschigkeit eben gern mal zig Brillen im Jahr kaputt, wir verlieren Handys, Schlüssel, Portemonnaie, bekommen Mahnungen aufgrund vergessener Verpflichtungen, und und und …

Eine krankheitsbedingte Katastrophe jagt die nächste. Und es gibt keinerlei Nachteilsausgleiche. Wenn es nach dem Volksmund geht, heißt es oft nur: »Dann schluck doch einfach Tabletten …« AHA. Und was ist mit persönlicher Selbstbestimmung??? Was, wenn man Amphetamine und sonstige Psychopharmaka für sich ablehnt, aber trotzdem gerne ein Recht auf faire sowie gleichwertige Teilhabe hätte?


All das Erwähnte (und das sind nur minimale Auszüge aus dem Leben eines ADHSlers), sind finanzielle Posten, die einem ADHSler neben einem pannengeprägten und emotionsgeladenen Sein das Leben mehr oder weniger zur extremen Belastung (manchmal leider auch zur Hölle) werden lassen und auch schnell mal völlig ungewollt in ausgeprägte Armutsverhältnisse führen können. Und gerade im Vergleich zu den recht guten finanziellen Hilfen (auch für den häuslichen und beruflichen Alltag) im Bereich von Werkstätten für behinderte Menschen, sollten auch Menschen mit einer mittelschweren bis schweren ADHS, verbunden mit ihren nach außen immer so unwirklich und harmlos klingenden Problemen (was sie allerdings nicht sind), meines Erachtens in den Fördertöpfen der staatlichen Hilfen wesentlich mehr Berücksichtigung finden. Einfach, damit Nachteilsausgleiche stattfinden können und den Betroffenen so eine etwas würdevollere Existenz fernab von dauerhafter Verzweiflung und Stagnation möglich wird.


4. Ressourcenschaffung für Diagnostik und Therapie


Ein ebenfalls betroffener »Mitstreiter« hat diesen so wichtigen Punkt bereits sehr gut zur Sprache gebracht, und zwar über eine Petition »https://www.change.org/p/verringerung-der-wartezeit-bei-diagnostik-behandlung-für-erwachsene-menschen-mit-adhs«


Letztendlich geht es um die Unzumutbarkeit durch fehlende Diagnostikmöglichkeiten und auch Therapieplätze. Menschen mit einem entsprechenden Verdacht auf ADHS oder einer autistischen Einschränkung müssen in der aktuellen Situation nicht selten ein Jahr Wartezeit in Kauf nehmen. Meistens jedoch schon zwei oder gar drei Jahre. Das ist für jemanden, der meint, endlich eine Erklärung für seine meist ellenlange Pannenstrecke gefunden zu haben, natürlich eine kleine Katastrophe und führt logischerweise zu großem Frust, Schwermut und schlimmstenfalls zu Depressionen. Und der verzweifelte und oft fruchtlose Versuch, im Nachgang einen ambulanten Psychiater zu finden und damit überhaupt erstmal an Medikamente bzw. dann auch an einen geeigneten Therapieplatz zu kommen, macht die Gesamtsituation nicht besser. Die Einstellung einer Medikation für ADHS gehört im übrigen leider auch nicht zum Alltagsgeschäft, der meisten Fachärzte. Dies führt oftmals zu Ernüchterung wegen falscher Anfangsdosierungen oder gar auch fehlender Aufklärung zu Wechselwirkungen etc.


Mögliches Ziel könnte hier sein, dass die Krankenkassen die Diagnostik durch höhere Pauschalen bzw. sogar Sonderzuschüsse für Ärzte im psychiatrischen Tätigkeitsfeld einfach attraktiver machen. Zumindest aber sollte sie ihr Budget für gezielte Aufklärung über das Spektrum der Neurodivergenz durch z.B. entsprechende medizinische Seminare oder Kongresse wesentlich erhöhen. Ganz einfach, um bestenfalls auch Ärzte oder Psychologen, die sich bisher vielleicht noch nicht ganz sicher waren, letztendlich doch in den Bereich der Diagnostik zu bewegen. Denn im Grunde sollte es unterm Strich doch immer das Anliegen einer Krankenkasse sein, alles mögliche dafür zu tun, dass Versicherte die optimale medizinische Versorgung bekommen, oder? Dafür zahlt ein jeder von uns schließlich nicht unwesentliche Mitgliedsbeiträge ein.

Um all diese Forderungen und Hinweise zum Zwecke von mehr »Anerkennung« neurodivergent Betroffener anzubringen, ist natürlich sowohl eine große Interessengemeinschaft als auch eine Interessenvertretung von großer Bedeutung.

Und aus diesem Grunde engagiere ich mich auch seit Jahren unbeirrt und ehrgeizig mit weiteren Betroffenen für eine bessere gesellschaftliche Stellung unsereins.

Die öffentliche Wahrnehmung und Toleranz im Rahmen von Leistungen für ein selbstbestimmtes und in Bezug auf die Masse gesehen »gleichwertiges« Leben von ADHSlern hat unermesslichen Stärkungsbedarf. Und wenn niemand unsere Anliegen, Ansprüche, Rechte und Berechtigungen sowohl klar kommuniziert als auch die Wichtigkeit verdeutlicht, verschwindet sogar das letzte Fünkchen Hoffnung, dass sich vielleicht irgendetwas ändert, komplett im Nirvana. Und solange ich kämpfen kann, lasse ich das nicht zu!


Viele Betroffene werden vielfach durch eine tief sitzende und automatisierte Maskerade völlig zu Unrecht als gesund und 100% leistungsfähig wahrgenommen und dementsprechend bei der Beurteilung von Leistungsansprüchen dann auch so behandelt, ja fast schon kritisch und abfällig beäugt.

Da wünsche natürlich nicht nur ich mir ein Umdenken, sondern ganz sicher jeder Betroffene, der jemals behördliche Bagatellisierung und Leistungsablehnung aus völlig absurden Gründen erlebt hat!


Wer als Betroffener oder auch Nicht-Betroffener meine Ansichten, Einstellungen und Erfahrungen teilt und auch der Überzeugung ist, dass Betroffenen aus dem gesamten neurodivergenten Spektrum endlich mal Gehör verschafft werden muss, den würde ich bitten, mein Engagement zu unterstützen und diese wirklich ernsthaften und wichtigen Zeilen zu verbreiten. Wir Minderheiten werden leider trotz schon wirklich guter vorherrschender Aufklärung auf vielen Kanälen immer noch massiv unterdrückt und nicht selten aufs Abstellgleis der Bedeutungslosigkeit gestellt. Ist ja trotz modernem Wissensstand im Volksmund auch immer noch eine »Kinderkrankheit« oder eine, die es gar nicht gibt, nicht wahr?


Wird Zeit, dass eine Betroffenen-Community einfach mal für ihre Rechte kämpft und gemeinsam den Mund aufmacht, um all den angesprochenen Nachteilen und Systemlücken sowie der stets tragisch-oberflächlichen Wahrnehmung und Einschätzung unserer Spezies den Kampf anzusagen.


Fakt ist einfach: wir Menschen aus dem neurodivergenten Spektrum gehören den Menschen mit Behinderung an (so fühlen es zumindest sehr sehr viele).

Denn ein nicht unwesentliches Handicap BEHINDERT uns eben zu großen Teilen in einer selbstbestimmten, strukturierten, positiven und effizienten Lebensführung! Und als wäre das nicht schon genug zu ertragen, werden wir dann auch noch viel zu häufig und völlig zu Unrecht an etlichen Positionen unseres Lebens unfair behandelt, ungefragt bewertet oder gar lächerlich gemacht.

Aus diesem Grunde möchte ich mit diesen Zeilen, aber auch aus meiner jahrelangen Erfahrung in der Aufklärung, aus der Selbsthilfegruppen-Tätigkeit heraus und als Autor in diesem Bereich die pure Verzweiflung verdeutlichen, in der sich viele der neurodivergent Betroffenen (gar nicht so selten leider auch recht ausweglos) befinden. Ich möchte aber auch ein wenig wachrütteln, damit das »versteckte Dilemma« sowie die Komplexität und Diffizilität von ADHS, Autismus und weiteren unsichtbaren psychischen Erkrankungen wesentlich mehr in den Fokus gerückt wird und die gefühlt unaufhörliche Ausgrenzung unserer Spezies endlich mal ein Ende findet … IRGENDWANN! 🙏


Denn es kann und darf einfach nicht sein, dass Betroffene schlimmstenfalls freiwillig auf ihre Wünsche und Rechte verzichten, nur damit sie sich nicht selbst in die psychische Misere treiben!


Mit hoffenden Grüßen

Aimo Nyland (Autor, Kreativling & Freak) ☘


PS: Irgendwann platzt einem halt auch mal das Ventil, gell? 🙃 Dann will man einfach nur noch mit Nachdruck alles zur Sprache bringen, was einen ausbremst und belastet ... 🤷‍♂️

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