Aimo Nyland
RSD (Rejection Sensivity Dysphoria) Häufige ADHS Begleiterscheinung, die aber kaum jemand kennt ...
Aktualisiert: 21. Dez. 2022

In diesem Blogbeitrag möchte ich mich mal der RSD widmen. Ein aus den USA stammendes Phänomen, geprägt durch den Psychiater William Dodson, in dem sich überdurchschnittlich viele ADHSler sehen, welches aber trotz dessen noch nicht wirklich in offiziell deutsch-medizinischen Kreisen angekommen ist. Schade! Weil man es meiner Meinung nach nämlich fast schon mit zu den Kernsymptomen zählen könnte.
Fast jeder ADHSler, den ich kenne, identifiziert sich mit dem Leitbild der RSD, auch wenn bisher eine klare Definition und Abgrenzung zu validen Störungsbildern fehlt. Es gibt eben bisher keine eindeutigen wissenschaftlichen Untersuchungen diesbezüglich, also ist es lediglich eine »Erfindung eines Psychiaters« und somit eine empirische Leerformel, wenn auch mit unglaublich viel Aussagekraft und Relevanz! Laut Dodson angeblich eine über 99%ige Begleiterscheinung zu einer klinisch diagnostizierten ADHS. Wird allemal Zeit, dass man beginnt, sich der RSD anzunehmen und entsprechend wissenschaftliche Belege dafür zu erforschen.
Es ist nämlich auch ein nicht zu verachtender Baustein für Betroffene auf dem Weg zur Diagnose, wenn es im Zuge ihrer Recherche nach Symptomen und Besonderheiten klar ausgewiesene und vor allem wissenschaftlich nachgewiesene Informationen im Netz gäbe. Die RSD findet man derzeit größtenteils nämlich nur, wenn man ihre Abkürzung kennt und gezielt danach sucht. Für mich ganz übel, wenn sich doch so dermaßen viele ADHSler (diagnostiziert und undiagnostiziert) in ihr sehen und so ziemlich das einzige, was durch Medien wirklich klar nach außen kommuniziert wird, lediglich die bisher vier festen Säulen sind: Aufmerksamkeitsprobleme / Impulsivität / Hyperaktivität / Unorganisiertheit.
Eigentlich wissen wir heutzutage doch schon so viel darüber wie unglaublich viele Facetten ein ADHS haben kann. Trotzdem scheint man sich neuen Erkenntnissen moderner Psychiater oder Wissenschaftler nicht zu öffnen und klebt bei der Diagnostik weiterhin an jahrzehntealten Standards nach dem Motto: »Sind Sie im Hinblick auf die letzten 3 Monate sehr impulsiv gewesen? / Hatten Sie im Hinblick auf die letzten 3 Monate häufig Konzentrationsschwierigkeiten? / Hatten Sie in den letzten 3 Monaten das Gefühl, ihrem Chaos nicht Herr werden zu können? / Fühlten Sie sich in den letzten 3 Monaten überwiegend antriebslos, depressiv und wertlos? ... « plus noch so 10 weitere Larifari-Fragen und Zack - da wurde im schlimmsten Falle schon wieder ein eventuell vorliegendes ADHS nicht bestätigt, weil der-/diejenige eben in den letzten Monaten nicht sonderlich impulsiv, depressiv oder chaotisch war (was natürlich auch durchaus mit ADHS vorkommen kann) oder gar auch mal wieder uralte Zeugnisse fehlten 😏 Faktisch also einfach nur mal ein paar Fragen zu viel mit »Nein« angekreuzt, dazu noch der automatisierte Kompensationsmodus, der uns oft für kurze Zeit sowieso total sympathisch und angepasst funktionieren lässt und ADHS wird ausgeschlossen, während die Betroffenen natürlich künftig weiter leiden werden ... 😬🙈
Was ist nun RSD genau?
Im Grunde geht es um eine erhöhte Zurückweisungsempfindlichkeit, quasi um eine übertriebene Empfindlichkeit gegenüber Ablehnung, Kritik, Vorwurf, Enttäuschung, Mobbing und Spott. Dinge, die meist so konkret in den tollen Diagnose-Fragebögen gar nicht abgefragt werden.
Wir ADHSler haben ja allein bedingt durch unsere Art und Weise des Seins häufig viele Pannenstrecken, schlimmstenfalls auch Demütigungen hinter uns und wurden sicherlich unzählige Male kritisch beäugt bezüglich unseres meist nonkonformen Verhaltens, Denkens und Fühlens. Dies wiederum sind natürlich die besten Voraussetzungen für einen geringen Selbstwert und Menschen die ihren Wert nicht sehen können, nicht sehen wollen oder ihn sogar unreflektiert und selbstzerstörerisch kleinreden, sind eben meist auch sehr empfindlich gegenüber den oben genannten Attributen, die eine RSD ausmacht.
Es ist für mich aber nicht nur schade, dass sich solche prägnanten und wichtigen Begrifflichkeiten nicht etablieren, sondern ich finde eine Sache noch viel schlimmer daran. Denn dadurch, dass viele gar nicht wissen, dass diese Empfindlichkeiten gegenüber Kritik, Ablehnung etc., die dann auch schon mal in Sturheit, Rebellion oder gar schwerem Frust und temporärer Boshaftigkeit enden können, ein markantes ADHS-Anhängsel sind, landet man aus Unwissenheit jener die uns so empfindlich erleben, auch mal schnell in der Narzissmusecke. Und das ist natürlich besonders fatal, denn zum einen ist ein ADHSler um Gottes Willen längst kein Narzisst und zweitens wiegt solch ein Stigma in der Gesellschaft leider schwer und kann weitere negative Kreise ziehen, was für sein persönliches Vorankommen nicht besonders förderlich ist.
Für mich ist die RSD im Bereich der Neurodivergenz also ein total geiler und wichtiger Begriff, der unsere Verhaltensweisen extrem gut auf den Punkt bringt! Ich hatte mich zwei Jahrzehnte lang immer selbst dafür verurteilt, wenn ich aufgrund kritischer oder abwertender Haltungen massiv explodiert bin und erst später in ein reflektiertes und annehmendes Verhalten kam. Mich hat das gewurmt ohne Ende.
Meine ADHS Diagnose 2015 war zwar ein mega befreiendes Gefühl, weil sie auch viele andere Pannen und Misserfolge in meinem Leben erklärte. Aber diesen ständig tiefen Frust darüber, dass man mir als Mensch mit meinen Äußerungen, Meinungen, Taten und Haltungen stellenweise ablehnend gegenüberstand, das konnte auch ich mir nie so wirklich mit ADHS erklären, denn lesen tat man offiziell eben immer nur von diesen oben schon genannten festen "Säulen", die mir übrigens auch alle Psychiater und Psychotherapeuten die ich je hatte, stets einzuimpfen versuchten.
Fast als wären diese Säulen als "allgemeingültiges Regelwerk" anzusehen und als wollte man sagen:
"SIE HABEN ADHS - SIE SIND IMPULSIV, CHAOTISCH, AUFMERKSAMKEITSSCHWACH! Freunden Sie sich damit doch einfach an. Macht das Leben leichter..." 🙄😖🙈
Erst als ich drei Jahre nach meiner Diagnose auf einer englischen Seite zufällig auf den Begriff RSD stieß, fiel es mir wie Schuppen von den Augen und ich konnte nach dem ersten schon wichtigen Schritt meiner ADHS Diagnose dann noch ein zweites Mal den inneren Frieden finden, weil auch neben ADHS der Begriff RSD so viel aus meinem Leben für mich zusammenfasste und erklärte 🙏
Und seitdem ich weiß, dass jedes Verhalten von mir eben eine wahre Ursache hat, gehe ich mit meiner Persönlichkeit wesentlich besser d'accord als jemals zuvor 😇